Stadt München
Nichtoffener städtebaulich-freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb, 4. Rang
mit von Angerer Architekten und Stadtplaner GbR, München
Juli 2022
Städtebaulich-freiraumplanerisches Konzept
Die heterogene Struktur der umliegenden Bebauung und der Übergang zum Landschaftspark Riem erfordert ein klar strukturiertes, städtebauli-ches Konzept. Mit dem neuen Stadtteil soll ein Zentrum für den angren-zenden Stadtteil Kirchtrudering und eine starke Grünvernetzung mit dem Riemer Park geschaffen werden. Es wird ein urbaner Stadtkörper vorge-schlagen, der im Westen auf die kleinteilige Struktur der bestehenden Bebauung eingeht und nach Osten zum Landschaftspark einen markan-ten Stadtrand definiert.
Kernstück des Entwurfs ist die Weiterführung der prägenden Land-schaftsbestandteile des Riemer Parks bis weit in die Siedlung hinein zu den vorhandenen Wege- und Grünbeziehungen in Kirchtrudering. So werden Waldmassive, Topografie, sowie die langen Wege- und Sichtach-sen aufgegriffen und Aktivitätenband und Landschaftsband des Riemer Parks als von Bäumen gesäumte Parkfinger ins neue Quartier gezogen. Zur Schaffung individueller Nachbarschaften wird eine Blockbebauung mit unterschiedlich geformten und verschieden großen Wohnhöfen vor-geschlagen, die sich zur kleinteiligen Baustruktur im Westen in Einzel-baukörper auflösen. Auch zum östlichen Stadtrand öffnen sich die Höfe, um eine starke Verzahnung mit dem Park zu ermöglichen. Die Forderung nach einer breiten Entlastungsstraße durch das Gebiet wird aufgenom-men und in Form eines begrünten Stadtboulevards mit starker baulicher Fassung und einzelnen Quartiersplätzen ausformuliert. Der Abstand der begleitenden Bebauung gewährleistet eine gute Durchlüftung von Süd nach Nord. Für die Durchströmung des Quartiers von West nach Ost wird das neue Stadtquartier in fünf Teilbereiche gegliedert.
Die nördlichste Luftschneise beinhaltet die Entlastungsstraße mit einer Grünverbindung zwischen Neuem Friedhof und dem Riemer Park. Die Straße wird so geführt, dass man als Endpunkt den Turm der Ausseg-nungshalle wahrnehmen kann und damit eine Grünverbindung zwischen Friedhof und dem neuen Westzugang des Parks ermöglicht. Nördlich der Straße liegen die gewerblichen Einrichtungen für die beiden Friedhöfe und eine großzügige Wegeverbindung zum nördlichen Parkeingang mit den geforderten Stellplätzen. Die Werkhöfe sowie die Stellplätze des Friedhofsgewerbes liegen im Norden, die Verkaufsflächen schließen lärmabgeschirmt an die südliche Wegeverbindung an. Die zweite Schnei-se wird als zentraler Grünzug vom Waldmassiv nach Westen zur Straße am Mitterfeld geführt. Westlich der Erschließungsstraße schiebt sich eine schiefe Ebene aus dem Parkfinger und negiert für die Parkbesucher die dahinter vorbeifahrenden Autos. Weiter Richtung Westen senkt sich die Ebene leicht ab und generiert so eine temporäre Rückstaufläche, ehe der Parkfinger auf einen großzügigen Quartiersplatz mündet, an dem neben Läden und Gastronomie auch der gewünschte Nahversorger liegt. Die Grünverbindung führt weiter nach Südwesten zum bestehenden Grünzug in Kirchtrudering. Zur Sichtbarmachung des Waldmassivs wird dieser bis in den Straßenraum weitergeführt. Dadurch wird lange Straßenraum wohltuend zoniert. Eine weitere Grünachse verläuft nördlich des Trucht-hari-Angers zum Riemer Park. Die südlich einmündenden Straßen werden über kleine baumüberstellte Nachbarschaftsplätze aufgefangen und die Fußgänger und Radfahrer hierüber in das nördliche Quartier geführt. Der Grünzug endet auf einem weiteren Quartiersplatz, der mit einem 15-stöckigen markanten Hochhaus den Endpunkt und die Umlenkung der dominanten Landschaftsachse aus dem Riemer Park definiert.
In diesem Gebäude sind in den oberen Geschossen Wohnnutzung und in den unteren fünf Geschossen Gewerbe, wie z.B. Co-Working und Sporteinrichtungen, wie z.B. ein Fitnessstudio untergebracht. Im Erdge-schoss befindet sich ein Nachbarschaftstreff mit Café und Veranstaltungs-räumen. Das oberste Geschoss bietet sich als Gastronomiefläche mit Aussichtsplattform an. Der südlichste Grünzug bietet als Weiterführung der Emplstraße einen weiteren Parkzugang an. In diesen sowie in alle an-deren Parkfinger werden Aufenthalts- und Spielflächen integriert. Die Hö-fe der Blockrandbebauung bieten Gemeinschaftsgärten- und Terrassen sowie Spielflächen. An geeigneten Stellen wird das Gelände auf Hochpar-terre-Niveau angehoben, um einen direkten Zugang der EG-Wohnungen in die privaten Wohnhöfe zu ermöglichen. Zur Maximierung der Freiflä-chen im Gebiet werden auch die Dächer der neuen Baukörper und der oberirdischen Quartiersgaragen mit Dachterrassen, Pflanzflächen und Urban Gardening bespielt.
Verkehr / Mobilität
Das Verkehrskonzept übernimmt die Vorgaben der Stadt für die Gestal-tung des Straßenraumes der Entlastungsstraße. Im zentralen Bereich des neuen Boulevards werden die Busspuren in der Mitte geführt und durch einen groß-zügigen, baumüberstellten Grünstreifen getrennt. Lediglich an den zwei Haltestellen wird dieser Mittelstreifen unterbrochen, um aus-reichend große Flächen für die Haltestellen und die Wartehäuschen zu erhalten. Neben der Fahrspur für den Individualverkehr werden Längs-parkplätze, die durch Bauminseln gegliedert werden, vorgeschlagen. Die großzügigen Fuß- und Radwege grenzen direkt an die angrenzenden Fas-saden. An den Querungen der drei Grünzüge werden großzügige Fußgän-gerübergänge geplant.
Neben dem Angebot für den öffentlichen Personennahverkehr in Form von zwei neuen Haltestellen im Bereich der Entlastungsstraße sieht das Mobilitätskonzept den Bau von je einem Quartiersparkhaus im Norden und Süden des Stadtquartiers und zwei zentrale Quartierstiefgaragen vor. Alle Quartiers-garagen werden an die neue Ortsentlastungsstraße ange-bunden. Lediglich die Tiefgarage des Nahversorgers und den angeglieder-ten Wohnhof wird über die Straße Am Mitterfeld erschlossen. Hierüber erfolgt auch die Anlieferung der Läden und des Nahversorger eingehaust im Gebäude. Mit der Bündelung des ruhenden Verkehrs in zwei Parkhäu-sern und zwei Sammeltiefgaragen kann das Quartier östlich der Entlas-tungsstraße von einer Unterbauung mit Tiefgaragen entlastet werden und somit die Versiegelung gering gehalten werden. Zufahrten zu mehre-ren kleinen Tiefgaragen über eventuell notwendig werdende Linksabbie-gespuren können somit entfallen. Die bei-den Parkhäuser werden so ge-staltet, dass die Erdgeschosszonen aus-schließlich für Sharing-Angebote, wie PKW, Lastenräder, Pedelecs, Fahrräder und eScooter zur Verfügung stehen. Kleine Werkstätten mit Cafés in den Erdgeschossen beleben die jeweils angrenzenden Quartiersplätze. Beim südlichen Parkhaus ist auf der Südseite, abgeschirmt vom Schulgelände, die geforderte Jugendein-richtung über zwei Geschoße vorgesehen, die zum Teil mit dem Parkhaus überbaut wird. Die Fassade des Parkhauses kann sowohl durch die Ju-gendeinrichtung als auch durch die im Westen angrenzende Grundschule, beispielsweise als Kletterwand oder Projektionsfläche, bespielt werden. Die Dachflächen beider Parkhäuser werden als Gartenflächen für Urban Gardening mit kleinen Gebäuden als Treffpunkte für die Bewohner ange-boten. Beide Parkhäuser sind so konzipiert, dass sie durch die größere Geschosshöhen auch flexibel für andere Nutzungen, wie Kultur, Gewerbe und Freizeiteinrichtung, umgenutzt werden, falls die Nachfrage nach Stell-plätzen sinkt.
Die zentrale zweigeschossige Tiefgarage nördlich des Truchthari-Angers kann in zwei Bauabschnitten realisiert werden und deckt den Parkplatz-bedarf für den Zentralbereich ab. Durch die Lage aller Parkierungsanla-gen ist sichergestellt, dass in einem Radius von 200 m alle Wohnungen erreicht wer-den können und damit ein autofreies Wohnquartier entsteht. Sollte die große zentrale Tiefgarage Probleme hinsichtlich einer der Real-teilung bringen, könnten unter den einzelnen Höfen auch, wie allgemein üblich, Tiefgaragen errichtet werden, was jedoch zu einer stärkeren Ver-kehrsbelastung auf den kleineren Straßen im Süden und Westen des Quartiers sowie einer höheren Versiegelung führen würde. Zusätzlich zu den Parkgaragen werden inner-halb des Quartiers an geeigneten Stellen Mobilityhubs vorgesehen, in denen Sharing-Angebote für Lastenfahrrä-der, Pedelecs, Fahrräder und eScooter sowie weitere Angebote wie Werk-zeugverleih, Bücherschrank, Gebrauchtartikel und teilweise auch Tiefga-ragenausgänge untergebracht sind. Diese kleinen architektonisch präg-nant gestalteten Stadtelemente sind über das Quartier verteilt und ver-leihen ihm einen besonderen Charakter.
Nutzungen
Neben der überwiegenden Wohnnutzung sind die geforderten Kinderta-ges-stätten in den unterschiedlichen Größen in den jeweiligen Höfen in den Erdgeschoßzonen untergebracht. Die Grundschule mit Dreifachturn-halle liegt südlich des Rappenweges, das Flexiheim südlich des nördli-chen Parkhauses und die Jugendeinrichtung am südlichen Rand des süd-lichen Parkhauses. Das Pflegeheim liegt im Anschluss an die bestehende Bebauung von Kirchtrudering. Es wird vorgeschlagen, dass sehr große Grundstück mit weiteren Gebäuden für Betreutes und Mehrgeneratio-nenwohnen zu bebauen, um die vorgeschlagene Blockstruktur des neu-en Quartiers zu vervollständigen und der hohen Nachfrage nach Wohn-raum gerecht zu werden. Entlang des Boulevards, vor allem an den sich durch die Baukörperstellung entstehenden Plätzen, sind in den Erdge-schosszonen auch Gewerbeeinheiten für Büros, Läden und Gastronomie geplant.
Die Lärmproblematik entlang der Entlastungsstraße wird durch eine ab-schirmende Bebauung mit überwiegender Orientierung der Wohnungen in die ruhigen Hofräume berücksichtigt. Im Bereich der Grünräume wird auf die Lärmproblematik durch Geländemodellierungen reagiert. Dies gilt auch für die Abschirmung der Bahnlinie im Süden.
Nachhaltigkeitskonzept
Das Quartier reagiert vielseitig auf die Herausforderungen des Klimawan-dels. Zahlreiche Bäume, Alleen und Baumhaine liefern natürliche Be-schattung. Fassadenbegrünung (grüne Fugen und vertikale Gärten) sowie intensiv und extensiv begrünte Dächer leisten einen wichtigen positiven Beitrag zum Stadtklima. Bei Starkregenereignissen bieten zahlreiche Flä-chen temporären Rückstauraum: die grüne Mittelinsel der Erschließungs-straße, die großflächigen Rasenmulden in den Parkfingern, die abgesenk-ten und multi-funktional bespielbaren Platzflächen (Wasserplätze), sowie die Retentionsdächer. Die Wasserplätze kühlen an heißen Sommertagen mit Wasserspielen die Umgebung und befeuchten die darüber streichen-de Luft der Luftbahnen. Weiterhin wird Wasser in Zisternen gespeichert, um die Wohnhöfe und Urban Gardening-Flächen mit Wasser zu versor-gen. Extensiv begrünte Dachflächen verbessern die Energiebilanz der neuen Baukörper.
Lärmschutz
Die Freiflächen der Schule im Süden des Gebietes werden zur Bahnstre-cke hin mit schiefen Ebenen, die mit Waldmassiven bepflanzt werden, vor Lärmeintrag der tiefer liegenden Gleise geschützt.