MÜHLDORF AM INN


Stadt Mühldorf am Inn
Eingeladener nichtoffener interdisziplinärer Realisierungswettbewerb
Teilnahme mit N-V-O Nuyken von Oefele Architekten BDA und Stadtplaner PartGmbB
Januar 2022


Die Stadtstruktur von Mühldorf am Inn ist geprägt von ihrer geographischen Lage und der natürlichen Morphologie der Landschaft. Die verschiedenen Terrassenniveaus stufen sich bis zur im Süden der Altstadt verlaufenden Innschleife ab und zonieren so die Stadt. Daraus ergibt sich eine Art Bänderung, die sich vor allem anhand der Topographie des Stadtwalls, dem Verlauf der Luitpoldallee, der von Bäumen gesäumten Berliner Straße und der Innschleife ablesen lässt. Eine weitere Komponente ist der gebaute Raum, vor allem in Form der Passagen und Arkaden des alten Stadtkerns. Historische Spuren des ehemaligen Stadtgrabens finden sich am Fuße des nördlichen Stadtwalls. Aus diesen Spuren und Charakteristika entwickelt der vorliegende Entwurf den fehlenden Stadtbaustein zwischen Altstadt und Inn. Der neue Inn-Stadt-Park setzt den Stadtwall-Park nach Süden fort und zieht so den Grüngürtel um den historischen Altstadtkern. Die neue städtebauliche Setzung, der Mobility Hub, markiert die südliche Raumkante des Parks und fungiert als neue Adresse entlang der hier verlaufenden Staatsstraße zwischen Ampfing und Altötting. Die Innstraße wird zum Inn-Boulevard, dessen verkehrliche Kapazitäten durch einen neuen Kreisverkehr im heutigen Kreuzungsbereich gestärkt werden. Weitere bauliche Ergänzungen komplettieren die Stadtfigur: am nördlichen Auftakt der Luitpoldallee entsteht ein länglicher Baukörper, der in den neuen Freiraum überleitet und durch seinen Hochpunkt das nördliche Ende des Parks markiert. Der neue Kreisverkehr wird im Osten und Norden durch Hochpunkte baulich gerahmt. Westlich des Kreisverkehrs fügt sich ein neuer einstöckiger Baustein in die bestehende bauliche Struktur am Flussufer ein. Weiter nördlich entlang der Staatsstraße, wenngleich außerhalb des Wettbewerbsgebiets, sieht der Entwurf das Potential für eine zusätzliche städtebauliche Neuordnung, die ein deutlich ablesbares Ankommen in der Stadt signalisieren und die im Entwurf initiierte neue Stadtfigur stärken würde.

Das Freiraumgerüst besinnt sich auf die historische Ausgangslage und stärkt den Grüngürtel um den Altstadtkern. Auch das Thema des Stadtgrabens, das sich im bestehenden Stadtwall-Park in Form der Kleingewässer bereits ablesen lässt, wird im neuen Inn-Stadt-Park thematisiert. Wichtige fuß- und radläufige Verbindung zwischen historischem Stadtplatz, Inn-Stadt-Park, Mobility Hub, Inn-Boulevard und Inn ist die Konrad-Adenauer-Promenade. Die verkehrlich stark belastetet Innstraße wird zum von Bäumen gesäumten Inn-Boulevard und trägt durch ihre Aufwertung zur Adressbildung bei. Ein Kreisverkehr und eine großzügige Fußgängerquerung tragen zu einer erheblichen Optimierung der Verkehrssituation bei. Bestehende Fähre und zukünftige Fußgängerbrücke über den Inn binden den Naturraum Innaue an das Stadtgebiet an. Es entsteht das übergeordnete Freiraum-Kontinuum vom Stadtwall-Park bis auf die gegenüberliegende Flussseite.

Der Mobility Hub am Inn-Boulevard schafft neue Chancen für das Stadtzentrum von Mühldorf: direkt am neuen Inn-Boulevard situiert empfängt er die Besucher und bietet ausreichend Stellplätze für das gesamte Altstadtgebiet. Zudem bietet er Platz für Car-Sharing-Konzepte, Ladestationen für E-Bikes und Elektroautos sowie eine Fahrradleihstation. Am Inn-Boulevard wird eine neue ÖPNV-Haltestelle geschaffen – für die hier verlaufende Regionalbuslinie 7519, als auch für den Stadtbus Süd, der von der Luitpoldallee an den Inn-Boulevard verlegt wird und künftig von Süden den Stich zur Haltestelle an der Luitpoldallee macht. So wird der nördliche Teil der Luitpoldallee vom Busverkehr entlastet und nur noch vom Stadtbus Ost befahren. Zudem wird der motorisierte Individualverkehr auf Anliegerverkehr beschränkt, sodass die entlang des neuen Parks verlaufende Luitpoldallee als Shared Space für Stadtbus, Anlieger, Radfahrer und Fußgänger Teil des Park-Loops wird. Am Inn-Boulevard entlastet ein Kreisverkehr die angespannte verkehrliche Situation im heutigen Kreuzungsbereich. Die Aufwertung des Straßenquerschnitts mit Mittelinsel und Baumreihen trägt zur Entschleunigung bei. Im Kreuzungsbereich mit der Konrad-Adenauer-Promenade wird Fußgängern und Radfahrern durch die großzügige Querungshilfe mit Mittelinsel und Lichtsignalanlage eine deutliche Priorität eingeräumt. Auf eine Brücke oder Unterführung wird hier bewusst verzichtet, da der Fußgänger nicht ausweichen soll, sondern im Sinne eines zukunftsweisenden Mobilitätskonzeptes Vorrang vor dem motorisierten Verkehr erhält.

Im Zentrum des Entwurfs steht der neue Mobility Hub, der die Flächen im Wettbewerbsgebiet von Stellplätzen befreit. Der dadurch entstehende Freiraum stärkt die Stadtstruktur und die Verbindung von Altstadt und Fluss. Dem Inn, von welchem sich die Stadt seit jeher eher abgewandt hat, kommt eine neue Bedeutung zu und wird essentieller Bestandteil von Mühldorfs Freiraumsystem. Das Flussufer lädt mit Sitzstufen zum Verweilen ein. Dank der neuen ÖPNV-Haltestelle am Inn-Boulevard sowie der Fuß- und Radwegequerung wird das Flussufer besser erreichbar und zugänglich. Vom Fluss kommend bewegt sich der Besucher entlang der Konrad-Adenauer-Promenade in Richtung Altstadt und passiert dabei den Mobility Hub, der eine nachhaltige Mobilitätsinfrastruktur, Nahversorgung und Informationszentrum in sich vereint und die neue Adresse am Inn-Boulevard darstellt. Die Promenade wird bespielt von Pflanzinseln, schattenspendenden Bäumen und Sitzmöbeln und ist nicht nur Durchgangsraum sondern auch Treffpunkt. Eine „Fast Lane“ für Radfahrer erlaubt ein schnelles Durchfahren, während die übrige Fläche dem Flanieren und Verweilen vorbehalten ist. Weiter im Nordosten schiebt sich der neue Platz mit seinem Café-Pavilion in die Promenade und leitet zusammen mit dem Gehölzrahmen aus verschiedenen Klimabäumen in den neuen Inn-Stadt-Park über. Der multifunktional nutzbare Platz bildet parkseitig das Entrée zum Mobility Hub wird bespielt von einem Wasserspiel, das an heißen Tagen Abkühlung schafft und Kinder zum Spielen einlädt. Entlang der östlichen TG-Kante verläuft ein Aktionsband mit Skate- und Sportmöglichkeiten für Jugendliche und Schüler der angrenzenden Schule. Im Zentrum des Parks entsteht eine freie Rasenfläche, die individuell erobert werden darf und dessen Topographie eine Rückstaufläche bei Starkregenereignissen schafft. Die tieferliegende Rasenfläche ist eine Aufweitung des neuen Stadtgrabens, der entlang der Luitpoldallee verläuft – eine Reminiszenz an die historische Situation, die im Kontext des Klimawandels neu interpretiert zum zentralen Element des Regenwassermanagements wird. Im Norden findet der Park seine räumliche Begrenzung durch einen lockeren Baumhain, in dessen lichten Schatten sich ein Biergarten und ein Kinderspielplatz befinden. Gerahmt wird der neue Park vom Park-Loop, der den Weg Am-Inn-Stadt-Park und die zum Shared Space umfunktionierte Luitpoldallee in sich integriert. Park und Park-Loop sind über Wege und Passagen mit ihrer Umgebung und der Altstadt vernetzt und werden so integrativer Bestandteil der Altstadt.

Der Entwurf setzt auf die Stärkung der räumlichen Vernetzung, visuelle Bezüge und ein differenziertes Nutzungsprogramm. Park-Loop, Konrad-Adenauer-Promenade und die Passagen und Zuwegungen in den Park bilden ein gut ausgebildetes Wegenetz, das die Altstadt bis an das Inn-Ufer führt. Aus dem Park und vom Dach des Mobility Hub werden visuelle Bezüge zur Altstadt und zum Fluss aufgebaut und stärken die Wahrnehmung des Ortes und seines Kontextes. Ein Nutzungsangebot für alle Altersgruppen lockt ein vielseitiges Publikum an und belebt den Freiraum.

Das Nachhaltigkeitskonzept berücksichtigt verschiedene Aspekte einer nachhaltigen Stadt und thematisiert Klimaanpassung, Biodiversität, Mobilität und Inklusion gleichermaßen.
Zur Vermeidung von Hitzeinseln sind zahlreiche Baumpflanzungen vorgesehen. Die Artenauswahl berücksichtigt dabei die aufgrund des Klimawandels veränderten Standortbedingungen und setzt Klimabäume ein, um eine nachhaltige Vegetationsstruktur zu schaffen.
Der historische Stadtgraben wird im Sinne eines nachhaltigen Regenwassermanagements neu interpretiert und dient als Versickerungsfläche für Oberflächenwasser und als Retentionsraum bei immer häufiger auftretenden Starkregenereignissen. Am neuen Platz sorgt ein Wasserspiel für erfrischende Abkühlung an heißen Sommertagen. Das große Dach des Mobility Hub wird als Retentionsdach ausgebildet, das bei Regenereignissen Wasser speichert und zeitverzögert an die große Retentionsfläche im Park ableitet.
Die gesamte Dachfläche ist begrünt: Zwischen der PV-Anlage mit einer extensiven Dachbegrünung, in den übrigen Bereichen mit einem artenreichen Naturdach. Zur Förderung der Biodiversität auf Straßenniveau rahmen artenreiche Blumenwiesen den Park-Loop, die Promenade und den Inn-Boulevard.
Das Mobilitätskonzept sieht die Einbindung und Stärkung des ÖPNV-Angebotes vor und bietet einen großzügigen Haltebereich für bestehende und neue Buslinien. Am Mobility Hub kann leicht vom Pkw in den Bus oder auf ein Leihfahrrad umgestiegen werden. Auch eine Car-Sharing-Station sowie Ladestationen für Elektroautos und E-Bikes sind hier vorgesehen.
Die bauliche Struktur des Mobility Hub erlaubt eine Überführung in eine andere Nutzung und kann somit flexibel auf zukünftige Veränderungen reagieren.
Auf sozialer Ebene trägt der Entwurf zu einer nachhaltigen Gesellschaft bei, indem er Raum bietet für verschiedene Altersgruppen, kulturelle Hintergründe und Aktivitäten: Senioren-Kaffeekränzchen am Platz, Skate-Challenges und Streetball-Battles, Kindergeburtstage, bayrische Biergartenabende, multikulturelle Picknicks, Sonnenuntergänge am Inn-Ufer oder auf der Rooftop-Bar.