Schongau
Nichtoffener städtebaulicher und landschaftsplanerischer Realisierungswettbewerb, Anerkennung September 2017
ÜBERGEORDNETES KONZEPT
Der Leitgedanke des Entwurfs ist es, die Qualitäten des Ortes zu erkennen und zu wahren. Der Bestand aus alten Bäumen und dem historischen Altstadt-Ensemble von Schongau wird neu inszeniert, indem störende Elemente entfernt und punktuell neue Blicke auf die Stadtmauer und ihre Türme freigegeben werden. Zusätzlich wird ein neues gestalterisches Element implementiert – der Schongauer stadtREIF. Dieser verläuft entlang des bisherigen Rundweges, stellt aber ein gestalterisch eigenständiges Element dar und wird um Balkone, Nischen, eine Passerelle und Plätze ergänzt, die eine einheitliche Formen- und Materialsprache sprechen. Zudem werden Kontraste geschaffen, die das Historische und das Zeitgenössische, Weitblick und Einblick, Licht und Schatten, Hartes und Weiches zu einem abwechslungsreichen Spiel verschmelzen lassen.
QUALITÄTEN UND SCHWÄCHEN DES ORTES ERKENNEN
Der bauliche und grüne Bestand zusammen mit den Ausblicken in das Umland verleiht dem Ort bereits eine besondere Qualität. Diese gilt es zu stärken und weiter auszubauen.
Die Fernwirkung der Altstadt soll nur bedingt optimiert werden, denn eine solche Maßnahme würde zu hohen Einbußen in der Qualität des Ortes führen und die Atmosphäre entlang der Stadtmauer zerstören. Deshalb fokussiert der Entwurf auf die Wahrnehmung, die die ankommenden Besucher und die Menschen in der Stadt erfahren. Reisende, die mit der Bahn in Schongau ankommen, fällt die Orientierung schwer. Beim Einfahren über die Lechbrücke ist die Altstadt nicht zu erkennen und selbst am Bahnhof bleibt es unklar, in welche Richtung man sich begeben muss. Auch entlang der Bahnhofstrasse bleibt die Altstadt hinter einem grünen Vorhang verborgen. Des Weiteren weist der Freiraum entlang der Stadtmauer keine einheitliche Gestaltung auf und wirkt vielmehr wie ein Potpourri verschiedener willkürlich aufeinander folgender Elemente. Auch eine ganzjährige Nutzung scheint des Rundweges ist derzeit nicht möglich.
FREIRAUMPLANERISCHES KONZEPT
Das Ankommen in der Stadt und die Wahrnehmung aus der Vorstadt ist ein wesentlicher Aspekt. Dabei soll den Besuchern, die über die Lechbrücke und von der B17 kommend am Bahnhof oder den Parkplätzen ankommen, die Nähe zur Altstadt vermittelt werden, z.B. durch eine deutliche Beschilderung und Blickfenster im Baumbestand auf die Stadtmauer und ihre Türme. Die Hauptzufahrten zur Altstadt Maxtor, Münztor und Lechberg werden als Verlängerung der Altstadt gesehen. Der Belags-Teppich zieht sich bis an die Bahnhofstraße und holt bereits dort die Besucher ab. Am Maxtor bindet der Altstadt-Teppich die Wallfahrtskirche in die Gestaltung mit ein, gibt ihr eine Art Vorplatz. Das Auslichten der Vegetation auf beiden Straßenseiten schafft einen selbstverständlichen Raum, der beide Seiten miteinander und mit der Stadtmauer kommunizieren lässt. Zudem wird die Beziehung zum Lech wieder gestärkt. In zwei Bereichen wird am Lechufer ein Fenster geöffnet, um die Sichtbeziehung vom/zum Polizeidienerturm und Kasselturm wiederherzustellen. Dort werden die Lech-Terrassen installiert, die den Fluss wieder ins Bewusstsein der Schongauer rücken. Der neue stadtREIF zieht sich als roter Faden entlang der Stadtmauer. Als eigenständiges Gestaltungselement schafft er einen Kontrast zur historischen Stadtmauer und verbindet die besonderen Orte des Stadtmauerumfelds: das nördliche Entrée mit einer Neuinterpretation des historischen Schwanenweihers; die Ostterrasse mit Pavilion, Stadtküche, Picknickterrasse und Jugendtreff; die Fußgängerpasserelle am Lechtor mit Balkonen; das Belvedere am Kasseltor mit Rosengarten; ein neu gestalteter Mehrgenerationenspielplatz; die Südterrasse am Sonnengraben mit Balkon und Sonnenbänken; die Westterasse am Sonnengraben mit Liegemöbeln im Grünen. Die Böschungen am Fuß der Stadtmauer bleiben weitestgehend unberührt, um der historischen Bausubstanz die notwendige Distanz zu geben.
GESTALTUNGSLEITFADEN FÜR PRIVATGÄRTEN
Erarbeitung zusammen mit Eigentümern; Einheitliche Mauerhöhe 50cm entlang des Böschungsfußes mit integrierten Sitzelementen und einheitliches, niedriges Zaunelement; Böschung (Blumenwiese) frei von Sträuchern (vereinzelte Kleingehölze vor privaten Balkonen / Terrassen zulässig); Aufheben des „Tunnelblicks“ und Öffnung des Blickfelds auf die historische Stadtmauer;
VEGETATIONSKONZEPT
Die Maßnahmen am Vegetationsbestand werden so gering wie möglich gehalten. Dennoch ist es notwendig einige Bäume zu entnehmen, um Blickfenster zu schaffen und den historischen Bestand neu zu inszenieren. Es entstehen neue Blicke von der Vorstadt auf die Türme der Altstadt. Polizeidienerturm, Kasselturm, Heiliggeist-Kirche, Franzosenturm, Wasserturm und einzelne Mauerabschnitte werden so wahrnehmbar für ankommende Besucher. Am Lechberg wird zudem die Reihe alter Bäume entlang der Straße freigestellt und gestärkt. Durch das Aufasten von Bäumen und das Entfernen von Sträuchern wird die „grüne Wand“, die die Altstadt umgibt transparenter. Entlang der Böschungen wird großflächig eine arten- und blütenreiche Blumenwiese angesät. Die intensiver genutzten Flächen (Aufenthaltszone an der Stadtküche, Westterrasse am Sonnengraben, Spielplatz) und die repräsentative Zone am nördlichen Entrée (Pflanzband mit Heckenvolumen) werden mit Rasen begrünt. Am Sonnengraben gibt es einzelne Gräserfelder und am Kasselturm einen Rosengarten.
MATERIALKONZEPT - KONTRASTE SCHAFFEN
Mit dem stadtREIF wird ein eigenständiges Element eingeführt, das sich in seiner Formensprache und in seinem Material Ausdruck verleiht. Ortbeton und anthrazit lackierte Stahlelemente schaffen zusammen mit Blumenwiesen und der historischen Stadtmauer spannende Kontraste.
LICHTKONZEPT
Die Beleuchtung unterstreicht die Idee von Blickfenstern und stadtREIF. Lichtmasten mit Strahlern entlang der Wege und Plätze leuchten die Bewegungs- und Aufenthaltsräume dezent mit warm-weißem Licht (3000K) aus. Die historischen baulichen Elemente werden punktuell mit warm-weißem Licht (2000K) in Szene gesetzt. Dabei kann die Höhe der Lichtmasten an die jeweilige Situation angepasst werden. Im Bereich der Blickfenster wird die Stadtmauer flächig angestrahlt und so auch nachts wahrnehmbar. Als punktuelle Akzente werden die Türme inszeniert, deren Fernwirkung somit erhöht wird. An den Stadteingängen wird besonderes Augenmerk auf die Torbögen und die Details in der Stadtmauer gelegt. So werden z.B. Fenster, Vorsprünge und Stadtwappen in Szene gesetzt.
TERRASSE UND BALKON AM SONNENGRABEN
Durch Entfernen von Vegetation und Einbauten wird ein offener, großzügiger Raum geschaffen, der durch einen Höhensprung in zwei Bereiche gegliedert wird. Entlang der Stadtmauer werden im Wechsel Gräserfelder (weicher Kontrast zur Stadtmauer) und Sonnenliegen angebracht. An der südlichen Wegekante, im Bereich der bestehenden Stützmauer führen Sitzstufen auf den ca. 80cm tiefer liegenden Balkon. Diese Höhe entspricht in etwa der Bestandshöhe der platzartigen Aufweitung. Die dadurch tiefer liegende Brüstung des Balkons verleiht dem Weg und der Aufenthaltszone entlang der Stadtmauer ein Gefühl von Weite. Zwei scheinbar schwebende Rasenfelder mit Stahlkanten und Sitzauflagen laden zum Verweilen ein. Der Bestandsbaum, der derzeit von Efeu überwuchert wird, wird freigestellt und durch zwei purpur blühende Robinien ergänzt, die durch ihre transparente Krone Schatten spenden.
Die Treppe, die zum Polizeidienerturm führt, wird geradlinig ausgebaut und durch zwei Sitznischen ergänzt. Die Wasserführung wird gestalterisch wie am neuen Fußweg am Bahnweg gelöst.
PASSERELLE AM LECHTOR
Ein neuer Fußgängersteg ergänzt den stadtREIF im Bereich des ehem. Lechtors und erlaubt ein Kreuzen der Zufahrtsstraße, ohne das Auf und Ab im Bestand. Als Rampe führt der Weg vom Kasselturm hinunter zu einer kleinen Aufenthaltszone. Dort beginnt die Passerelle und führt den Besucher auf die andere Seite – immer den Turm der Heiliggeist-Kirche im Blick. Zwischen Bestandsbäumen führt der Steg von der Stadtmauer weg, über die Wiesenböschung und dann im Bereich des Blickfensters wieder zurück Richtung Stadtmauer, wo er an den Bestandsweg anbindet. Der Weg wird ergänzt durch Sitznischen und Balkone.
JUGENDTREFF & STADTKÜCHE AM OSTGRABEN
Am Ostgraben wird eine neue Aufenthaltszone in die bestehende Topographie integriert. Zudem entsteht eine neue Verbindung zur Vorstadt und dem Parkplatz an der Bahnhofstraße. In der Köhler Villa könnte optional in ein Jugend- und Kreativzentrum etabliert werden. Die Terrasse wird ergänzt durch einen Pavilion mit Stadtküche, die von Vereinen, Jugendgruppen und Familien genutzt werden kann. Picknicktische und in die flache Böschung integrierte Liegemöbel unter schirmförmigen Großsträuchern laden zum Verweilen ein. Vom Parkplatz kommend bleibt der Blick frei auf die Stadtmauer. Ein Balkon oberhalb der Terrasse erlaubt einen weiten Ausblick.
NÖRDLICHES STADTENTRÉE AM MÜNZTOR
Im Norden der Altstadt soll ein neues Entrée entstehen. Dabei müssen beide Seiten der Zufahrt zusammen gedacht werden, um ein starkes Bild schaffen zu können. Der Belagsteppich der Altstadt wird bis an die Bahnhofstraße hinausgezogen, um dort den Besucher abzuholen und den Beginn der Altstadt anzukündigen.
Für die Gestaltung der Vorzone wird das historische Bild des Schwanenweihers aufgegriffen und neu interpretiert. Das Allerlei aus Blumenbeeten, Sträuchern und unterschiedlichen Formen wird ersetzt durch ein Band mit Wasserspiel und Heckenvolumen, das ein klares Gegengewicht zur historischen Substanz setzt ohne von dieser abzulenken. Das Pflanzband mit den Heckenvolumen begleitet den Spaziergänger. Das Wasserspiel definiert die Aufentahlstzone. In den Belag integrierte Wasserdüsen beleben den Platz, laden zum Spielen und Verweilen ein und können abgestellt werden, um andere Nutzungen zu erlauben. Das Geräusch des Wasserplätscherns lenkt von dem umgebenden Verkehrslärm ab.
Die Heckenvolumen werden in ihrer Höhe diagonal geschnitten. Die niedrigere Seite lenkt den Blick der vorbeifahrenden Autofahrer nach oben in Richtung der ca. 4m höher liegenden Stadtmauer. Die höhere Seite der Hecken schirmt den Fußgänger entlang des Rundweges von der Straße ab. Die Zwischenräume zwischen den H9ecken werden mit Gräsern und Stauden repräsentativ bepflanzt.